Freitag, 1. Juli 2016

Schlechtwetterbloggen.

Ja, das Schicksal der allermeisten Blogs: ambitioniert beginnen, stark nachlassen.
Kein Post seit, hm, November?

Mir ging es zu gut, das wars wohl. Und der Rest des Lebens gewinnt mal wieder Oberhand. Die Schübe wurden schwächer, weniger, kein Kortison mehr und dann auf einmal: Ruhe. 
Ok, bis vor zwei Wochen. Dann kumulierten Stress, Pech, Bazillen, was auch immer und just an einem schönen Wochenende mit Freunden und neuen Bekannten (*wink*)  sagte der Körper mal wieder: Ich bin mal wieder im Ausnahmemodus! 

Nun bin ich wieder da, wo ich immer lande, müde, kaputt, voller Medikamente. Immerhin, dank ein paar Infusionen, wieder aufgefüllt. Es ist unglaublich, was Wasserverlust mit Körper anstellt. 5 Kilo runter übers Wochenende, Kortison und Ringerlösung rein, nach ner Woche nur mit Rinder-Brühe und Calippos intus: mehr wiegen als vorher. Und die Eitelkeit verzeiht sich traurig in die Ecke und mampft drei Käsebrote. 

Denn tut das Kortison das, was es soll: all systems go! Morgens um 5 wach und hungrig sein, abends wie ein Duracellhäschen auf der Couch sitzen.

Vielleicht blogge ich mal wieder mehr. Statt nur zu jammern. Aber erstmal muss ich Essen, jetzt, wo es wieder geht. Leben mit Crohn halt. 

Dienstag, 3. November 2015

"Möchten Sie vielleicht etwas homöopathisches?"

Kürzlich sah ich mich wieder einmal einer etwas konsternierten Apothekerin gegenüber, als ich auf die Frage, ob es Osanit-Kügelchen sein dürften, mit "nein, ich glaube nicht an Homöopathie" antwortete. Statt um Osanit bat ich um ein Zahnungsgel mit Lidocain, die Tochter dankte es mir und stellte ob der betäubenden Wirkung des Gels nach wenigen Sekunden das Weinen ein. (Nebenbei bemerkt: Wir sollten uns alle glücklich schätzen, dass wir uns nicht daran erinnern können, wie unsere Zähne durchgebrochen sind.)


Keine Globuli. Plätzchen-Deko. Wirksamkeit? Die hier sind silber und machen gute Laune. Punkt für die Deko-Perlen.

Ich wurde schon häufig gefragt, ob ich es mal mit Homöopathie/Alternativmedizin/"was pflanzlichem" probiert hätte. Ich antworte meist, dass ich Medizin bevorzuge, die eine Wirkung hat, welche über den Plazeboeffekt hinausgeht und ich ohne "Schulmedizin" hier gerade nicht mehr säße. Überhaupt, "Schulmedizin", ein Begriff, den selbst deren Verfechter benutzen, und auf den ich in den letzten Jahren geradezu allergisch reagiere. Medizin ist Medizin. Wenn es wirkt, ist es Medizin. Wenn es keine Nebenwirkungen hat, dann hat es aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine Wirkung. Wenn Leute auf die Pharmamafia schimpfen (und gleichzeitig das Millionengeschäft mit wirkungslosen Zuckerkügelchen ignorieren), erwähne ich gerne, dass ich froh bin, dass Pharmafirmen an modernen Medikamenten forschen, die mir meine Schmerzen nehmen. Ich möchte ja an dieser Stelle und in der Diskussion mit Homöopathie-Fans gar nicht Big Pharma feiern und verteidigen- Klar, die sind keine Menschenfreunde, sondern haben ein wirtschaftliches Interesse, aber bitte, verschenken Wala und co. ihre im Mondschein linksrum gerührten Präparate? Die Gewinnspanne ist dort sicher höher als bei einem Medikament, das Jahrzehntelang erforscht werden muss.Gerade bei Morbus Crohn gibt es z. B. Behandlungsmöglichkeiten mit sogenannten Biologicals, die- ohne, dass ich auch nur halbwegs deren Wirkweise verstehen kann- wirkliche High-Tech-Medikamente sind. Spannendes Thema, vielleicht an anderer Stelle. 

Es gibt ebenso spannende alternative Ansätze bei Morbus Crohn, vom Marihuana bis zu Wurmeiern, alles jedoch Alternativen mit nachvollziehbaren Wirkprinzipien und wissenschaftlicher Begleitung. Ich kann verstehen, dass man jeden Strohhalm greift, wenn man krank ist und sich Linderung verspricht. Das geht mir nicht anders: Ich hab z. B.  Unmengen von probiotischen Joghurt-Drinks runtergekippt, in der Hoffnung, es könnte helfen. Es gibt eine Studie, die denen Wirksamkeit bei Darmentzündungen unterstellt, und auch nur da, also nix mit "stärkt das Immunsystem". Das wäre, nebenbei bemerkt, bei einer Krankheit, die man mit Medikamenten behandelt, die das übereifrige Immunsystem bremsen, auch ganz schön schizophren.

Manche mögen mich für ignorant halten, auch "wissenschaftsgläubig" wurde ich schon genannt- ein Glück, dass Wissenschaft funktioniert, ohne dass man daran glauben muss! 

Ich schaue übrigens auch jedes mal irritiert über den Apothekentresen, wenn mir jemand mit einem Doktortitel mal wieder etwas andrehen will, das keinen Wirkstoff enthält. Und wenn meine Kollegin mit den Bachblüten um die Ecke kommt, nehme ich Reißaus. Würde bei mir ja ohnehin nicht helfen, da ich nicht dran glaube, schade aber auch. 

Wie geht Ihr mit sowas um, krank oder gesund? "Schadet wenigstens nix" denken und hoffen, dass es wirkt? Gerad bei Kindern? Oder ganz verteufeln? Könnt Ihr eine Grenze ziehen zwischen "Alternativ" und "Humbug"?

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Komm an mein Herz, ich hasse Dich. Kortison.


Ich bin seit ein paar Tagen mit dem Kortison durch! (Hier einen Tusch und einen kleinen Tanzeinlagen hindenken). Richtig verstehen, was das bedeutet, können vermutlich nur LeserInnen, die selbst schon mal längere Zeit Kortison nehmen mussten.  

"Kortison" ist dabei nur umgangssprachlich richtig, meistens ist es Prednison, dass man in Tablettenform nimmt und welches im Körper verstoffwechselt wird. Hier ist vielleicht ein wichtiger Disclaimer nötig: Ich habe keinerlei medizinische Fachbildung, sondern schreibe hier nur als Betroffene mit angelesenem Halbwissen und eigener Erfahrung. Bevor Ihr also irgendetwas einwerft, fragt bitte euren Arzt oder Apotheker. :)

Während eines Schubs ist Kortison großartig, es sorgt bei mir dafür, dass die Symptome in kurzer Zeit weniger schlimm werden. (Ihr seht schon: It's all about the symptoms. Gegen die eigentliche Krankheit ist bisher noch nichts gefunden.) Trotzdem versuche ich alles, das Zeug zu umgehen. Warum, wenn es doch so toll wirkt? Kortison ist für mich der König der Nebenwirkungen. In hohen Dosen macht es mich hibbelig, gereizt, aufgedreht... Und hungrig, so hungrig! Kortison kann den Stoffwechsel beeinflussen, bei mir bedeutet das: permanenter Hunger. Ich erinnere mich an meinen ersten Schub, ich hatte Nächte, da war ich um 4 Uhr hellwach, hab ferngesehen und den Kühlschrank geplündert. Unter Kortison nicht zuzunehmen ist aber nicht nur deswegen eine wirkliche Herausforderung, sondern ich wegen der Wassereinlagerungen, die es langfristig mit sich bringt, und damit Mondgesicht und Rettungsringe. Gerade, wenn der Darm durch die Entzündung noch gereizt ist, ist es unheimlich schwierig, sich dann auch "gesund" zu ernähren und alles, was leicht verdaulich ist, ist besser verträglich- das sind aber gerade nicht Dinge wie Gemüse und Vollkorn. Und ich schreibe "gesund", weil das natürlich relativ ist. Wenn der Darm krank ist, bedeutet gesunde Ernährung mitunter zeitweise viel Weißmehl und Gemüse maximal als Püree.
Ich erinnere mich an einen Beitrag in einem fürchterlichen Boulevard-Magazin, in dem darüber spekuliert wurde, dass Costa Cordalis ein fürchterlich fehlgeschlagenes Gesichtslifting gehabt haben müsse. Als dieser im Interview dann erwähnte, er hätte es am Rücken und es käme von den Medikamenten, war mir klar, woran der arme Kerl leidet. Der Blick in den Spiegel kann ganz schön schwer fallen, wenn man nach ein paar Wochen merkt,  dass es losgeht mit speckigem Hals, prallen Bäckchen und einem wie aufgepusteten Bauch (Codename: Sputnik).  

Man kann Kortison auch nicht einfach absetzten, wenn man sich besser fühlt- erstens, weil die Entzündung dann wieder aufflammen kann, zweitens, weil während der Einnahme der Körper die eigene Produktion runterfährt und ein spontanes absetzen dann die gesamte Körperchemie durcheinander bring. (Notiz an mich: Das muss mir mal ein Mediziner konkret erklären, spannend.) Das bedeutet, dass man langsam, langsam die Dosis senkt und hofft, dass der Körper mitspielt. 

Ich bin nun durch und bilde mir ein, dass mein Gesicht laaaangsam wieder in die gewohnte, auch so mehr als gesund runde, Form schwindet. Die nebenbei langfristig drohende Osteoporose habe ich mit der regelmäßigen Einnahme meiner Kalzium-Kautabletten hoffentlich abgewendet. (Wäre auch schade, die Dinger umsonst zu futtern, sie schmecken, als würde man fröhlich in ein Stück Tafelkreise beißen.) Dass ich nur ein paar Pfund zugenommen habe macht mich einerseits etwas stolz, andererseits müssen die auch irgendwie wieder runter. Aber über das Thema Gewicht schrieb ich ja bereits, ich bin froh, dass ich nach zwei Schüben nun schon wieder 2 Monate Ruhe habe, da kann ich mit den Speckrollen leben. 

Samstag, 3. Oktober 2015

Aus der Reihe: Dinge, die man besser nicht sagen sollte.

Oder: Fette Jahre, magere Zeiten

 

"Du siehst aber gut aus." 
"Ähm, ja, danke."

Den Crohn sieht man einem nicht direkt an. Es gibt trotzdem auch bei medizinischem Personal Vorstellungen davon, wie eine klassische Patientin auszusehen habe- nicht wie ich jedenfalls, hab ich festgestellt. Das seien meist junge dünne blonde Frauen, sagte die Schwester bei einem meiner ersten Krankenhausaufenthalte. Da hatte ich 12 Kilo abgenommen und hörte meine Zimmernachbarn sagen, ach, sei aber ja noch ordentlich dran an mir, so schlimm könne es ja nicht sein. Ich ernährte mich gerade vom Astronautenkost, war knapp an der Magensonde vorbei geschrabbt und froh, dass ich vorher so gut im Futter gestanden hatte. Mit Idealgewicht hätte mich der Schub damals schlimmer getroffen.

Für mich als jemand mit Morbus Crohn ist das omnipräsente Thema Gewicht und dessen normativer Charakter ein heikles Thema. Ich bin sensibler geworden, auch, wenn es um das Kommentieren des Gewichts anderer geht.

Ich habe schon Komplimente dafür bekommen, dass ich aber toll abgenommen habe. Dass ich tagelang nur Wackelpudding, Kartoffelbrei und Babygläschen gegessen hatte und ungezählte Male nachts zur Toilette rennen musste, antworte ich darauf meistens nicht. Und wenn man wieder zunimmt, die Haut rosiger und das Gesicht runder wird, weil das Kortison seine Nebenwirkungen zeigt, dann fällt es einem auch schwer, das Kompliment anzunehmen. Zum Kortison an derer Stelle mehr, das ist ein Thema für einen eigenen Post.

In meinem Fall hat mein Gewicht in den letzten 10 Jahren um rund 20 Kilo geschwankt, und mein Allgemeinzustand war davon relativ unabhängig gut oder mies. Und die rosigen Speckbäckchen vom Kortison sind davon ohnehin ebenso unabhängig. Wenn andere Leute über ihr Gewicht diskutieren, über Diäten, die neusten LowCarbTrendTipps, was alles dick oder dünn macht, darüber, wie unzufrieden sie mit ihren Pfunden sind...  Da steig ich oft aus der Diskussion aus. 

Ich esse gerne, ich koche gern, wer Tut das nicht? Essen ist Lebensqualität. Ich schätze den sozialen Charakter den Essens und es ist unfassbar toll, wenn man in "gesunden" Phasen der Erkrankung ("Remission", wenn sich der Crohn soweit verzieht, dass man fast das Gefühl hat, man sei gesund) einfach Essen kann, mit der Familie, mit Freunden, fast alles, was man will. Und nicht nach drei Bissen aufspringen muss und zu Toilette rennen muss. Sich auf dem Sofa krümmt, während die Freunde den Nachtisch in sich rein schaufeln. Auf dem Heimweg vom Restaurant mit Schweißperlen auf der Stirn in der Bahn steht und nur noch an die nächste Toilette denken kann.

Wenn Essen also phasenweise keine Katastrophe mit Ansage ist, dann macht Essen doppelt Spaß, von der Wirkungen des Kortisons auf den Blutzucker und Heißhunger ganz abgesehen. Und dann dann kann es sein, dass man es übertreibt und sich Kilos drauffuttert, die mehr als ein paar Speckröllchen bedeuten. Zumal eben Lebensmittel mit viel Ballaststoffen, Gemüse, Getreide, alles, was unter "gesund" läuft, auch während der Remission eine Tortur für den Darm sein können. Also: Hallo böse Carbs, meine Freunde. 

"Wie kann jemand eine Darmerkrankung haben und so proper aussehen?" 
Deswegen. 

Sonntag, 27. September 2015

Drogen, gebt mir Drogen.



Ich habe keinen Frieden mit meinem Körper, ich bemühe mich nur um Waffenstillstand. Manchmal muss ich halt härtere Geschütze auffahren.


Ich habe im Grunde alle Medikamente einmal durch und bin wieder bei der Basismediaktion. Es ist tatsächlich spannend, was moderne Medikamente können, wo sie scheitern, und dass man doch froh ist, wenn das Kortison anschlägt, weil sonst nichts hilft. Das ist ein Thema für einen längeren Blogbeitrag und steht auf meiner Liste. 



Wie Herr Crohn mich fand.

Ich kannte Herrn Crohn vom Hörensagen. Vor 7 Jahren, in meinem ersten richtig schlimmen Schub, als mein Hausarzt nix fand, was mich krank macht, ich mit Fieber und Schmerzen tagelang auf dem Sofa lag, die Kilos Tag für Tag schwanden, ich mich nur noch von ein paar Löffeln grünem Wackelpudding am Tag ernährte und ich merkte, da stimmt was nicht mit mir, da las ich von Herrn Crohn im Internet. Weil mans ja doch macht, seine Symptome googeln. Was man nicht soll. Weil man immer nur das schlimmste findet.

2 Wochen später schummelte er sich dann als mein Begleiter an meine Seite. Eine Ärztin stellte uns vor, die Ergebnisse seien leider nicht gut, die Darmspiegelungen, die Blutwerte, die anderen Symptome wie Augenentzündung und Beulen an den Beinen... Am letzten Tag im Krankenhaus, ich lag noch benebelt vom Propofol unter einem Monitor, der Bilder meiner bunt entzündeten Innereien zeigte, tätschelte die Oberärztin meine Schulter und sagte, tja, was machen wir denn jetzt? Und ich hatte keine Antwort.

Mit Kortison und Antibiotika vollgepumpt, ein Paar Broschüren zum Thema und mit 12 Kilo weniger kam ich nach Hause. Herr Crohn schlug in den folgenden Jahren noch heftiger zu, die Chirurgen, die Pharmaindustrie und ich schlugen heftiger zurück. Medikamente im Gegenwert eines Mittelklassewagens strömten in meine Venen, in meinen Bauchspeck, halfen kurz, mussten aufgegeben werden. Irgendwann kamen OPs 1 bis x. Die Schmerzen gingen, hinterließen Narben, Erinnerungen, eine Schwerbehinderung, aber sie waren weg.  Irgendwann kamen Winter ohne geschwollene, entzündete Gelenke. Und irgendwann war Herr Crohn zwar noch da, auf der Schulter, lugte mal mehr, mal weniger hinter ein ein paar Wehwehchen hervor. Drohte böse, als ich in der 35. Woche schwanger war, machte viel Lärm, um dann einfach wieder zu verschwinden. 

Seit ein paar Wochen ist er zurück. Er brachte die Pumpe mit, die mir tagelang all meine Energie absaugt. Und meine Kortison-Hamsterbacken.

Ich habe lange überlegt, ob ich darüber schreiben soll, eigentlich seit Beginn der Krankheit. Ich bin mir immer noch nicht wirklich klar, wie weit ich hier in Details gehen kann, möchte, werde. Wenn ich beruflich schreibe, dann mache ich mir vorher klar, wer es lesen wird, was er erwartet, was ich den geneigten LeserInnen mitgeben möchte. All das ist hier noch offen. Ich weiß nicht, wer es lesen wird: Erkrankte? Interessierte? Menschen, die ich kenne, oder diejenigen, die mir auf Twitter folgen (*wink*) und mich ermutigt haben, das ganze hier überhaupt zu tun?

Es hängt wohl alles auch von Eurem Feedback ab. Ich bin gespannt. Denn, seien wir ehrlich, es ist im Wortsinne ein Kack-Thema.